Mycoplasma hominis und Ureaplasma spp. (Urogenital)
MATERIALGEWINNUNG:
- Geeignete Untersuchungsmaterialien: Urogenitalabstriche, Urethralabstriche, Prostatasekret, Ejakulat oder Morgenurin (ausschließlich bei männlichen Patienten)
- Andere Materialien können im Einzelfall angesetzt werden, der Befund folgt dann aber aufgrund nicht vorhandener Validierung durch den Hersteller nur unter Vorbehalt
- Da die Mycoplasmen eine starke Affinität für die Zellmembranen der Schleimhäute haben, ist es wichtig, die Schleimhaut gut abzuschaben, um möglichst viele Zellen zu gewinnen
- Abnahme des Untersuchungsmaterials vor Beginn einer eventuellen Antibiotikatherapie
- Ureaplasma genitalium (s. u.)
• In Anlehnung an Neumeister B, Geiss HK, Braun RW, Kimmig P. Mikrobiologische Diagnostik. Georg Thieme Verlag Stuttgart-New York 2009
Abnahmebesteck:
PROBENTRANSPORT & LAGERUNG:
- Tagesgleicher Transport, ansonsten Lagerung im Kühlschrank bei 2‐8 °C.
- Ein schneller Transport ist notwendig, da bei Raumtemperatur bereits nach 24 Stunden mit einer Abnahme der Keimzahlen um den Faktor 10 zu rechnen ist.
• In Anlehnung an Neumeister B, Geiss HK, Braun RW, Kimmig P. Mikrobiologische Diagnostik. Georg Thieme Verlag Stuttgart-New York 2009
MIKROBIOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN:
Ansatz:
- Identifizierung (Mycoplasma hominis & Ureaplasma spp.)
- Keimzahlbestimmung
- Resistenzbestimmung
Zusätzliche Anforderungen:
- Ureaplasma genitalium-PCR (Spezialabstrich)*
*Versand an das Konsiliarlaboratorium für Mykoplasmen, Technischen Universität Dresden
Hinweise:
- In Kenntnis des hohen Durchseuchungsgrades in einzelnen Bevölkerungsgruppen ist der Nachweis von M. hominis und/oder U. urealyticum in Untersuchungsproben aus dem Urogenitaltrakt klinisch wesentlich schwieriger einzuordnen und nur im Rahmen einer Ausschlussdiagnostik von weit virulenteren Erregern (z.B. Neisseria gonorrhoeae, Chlamydia trachomatis) zu bewerten.
- M. hominis und U. urealyticum sind zum Teil im Urogenitaltrakt nach der Geburt und darüber hinaus nachzuweisen. Jedoch kolonisieren sie den Urogenitaltrakt dauerhaft häufig erst mit Geschlechtsreife und Partnerkontakt.
- In der Schwangerschaft sind hingegen Bedingungen vorhanden, bei denen den Mykoplasmen eine fakultativ pathogene Rolle zukommt. Es sind Fälle mit nachgewiesenen Mykoplasmen aus Blutkulturen bei Fieberepisoden nach Geburt oder auch nach Aborten beschrieben, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Mykoplasmen ursächlich an Endometritis oder auch Chorioamnionitis beteiligt sind.
- Die Abklärung einer nicht gonorrhoischen Urethritis oder einer Prostatitis sollte neben Chlamydien und Trichomonas vaginalis die Mykoplasmen in die Diagnostik einschließen.
- Serologischer Antikörpernachweis: Ein wesentlicher Unterschied zur Diagnostik von M.-pneumoniae-Infektionen ist, dass die Serodiagnostik aufgrund der weiten Verbreitung von M. hominis und U. urealyticum als Bestandteil der kommensalen Flora nicht sinnvoll ist.
• In Anlehnung an Neumeister B, Geiss HK, Braun RW, Kimmig P. Mikrobiologische Diagnostik. Georg Thieme Verlag Stuttgart-New York 2009
Mycoplasma hominis
- Sexuell aktive Frauen und Männer sind zu 21-53% mit M. hominis besiedelt. Die Keime können während der Schwangerschaft oder während der Entbindung auf die Neugeborenen übertragen werden. Die Transmissionsrate liegt bei Neugeborenen bei etwa 20% und bei Frühgeborenen bei etwa 40%.
- M. hominis kommt bei 5-10% aller akuten Pyelonephritiden eine ätiologische Bedeutung zu.
- Dagegen scheinen die Bakterien beim Mann, trotz Nachweis aus dem Urogenitaltrakt, für die Entstehung der infektiösen Urethritis, Epididymitis oder Prostatitis keine Rolle zu spielen.
- Bei Frauen sind chronische Adnexitis/Salpingitis/Pelvic Inflammatory Disease (PID) oder eine daraus resultierende Sterilität mit der M. hominis-Besiedlung der Adnexe assoziiert. Bei der bakteriellen Vaginose (BV) lässt sich M. hominis mit anderen BV-assoziierten Mikroorganismen in hohen Keimzahlen aus der Vagina nachweisen.
- Besiedelte Frauen entwickelten häufiger eine postpartuale Endometritis, Wundinfektionen nach Sectio sowie nach Aborten oder post partum. Ferner wurden die Bakterien bei Neu- oder Frühgeborenen mit Meningitis und Hirnabszessen nachgewiesen.
• Mikrobiologisch-infektiologische Qualitätsstandards (MiQ) 11a Genitalinfektionen Bakterien II 2011
Eine mögliche Besiedlung der Mutter sollte vor der Geburt dem Entbindungszentrum mitgeteilt werden.
Ureaplasma urealyticum
- Ureaplasmen lassen sich bei 30-40% aller sexuell aktiven Männer und bei 40-80% aller sexuell aktiven Frauen nachweisen. Während der Schwangerschaft können Ureaplasmen auf das Kind übertragen werden, bei reifen Neugeborenen in bis zu 50%, bei Frühgeborenen in bis zu 80% der Fälle. Die Übertragung kann bereits in utero – auch ohne vorzeitigen Blasensprung – oder erst unter der Geburt, auch bei Entbindung durch Sectio erfolgen.
- Beim Mann verursachen Ureaplasmen in hohen Konzentrationen eine nicht-gonorrhoischen Urethritis (NGU) (ca. 10-20% der Fälle) und möglicherweise auch eine akute Epididymitis. Ein Zusammenhang mit der Prostatitis ist nicht gegeben.
- Bei Frauen sind Ureaplasmen als Ursache für eine Adnexitis/Salpingitis/PID oder bei Sterilität unbedeutend; dagegen sind Fälle von postpartualer Endometritis beschrieben.
- Die zervikale Besiedlung kann sowohl auf die Plazenta, das Endometrium als auch auf die Amnionflüssigkeit übergreifen, ohne die Schwangerschaft zu gefährden; bei Besiedlung des Chorions dagegen kann sich eine Chorioamnionitis entwickeln, in deren Folge es häufig zum Abort oder zur Frühgeburt kommt.
- Hohe Keimzahlen in der Zervix sind ein Risiko für Chorioamnionitis, frühzeitige Wehentätigkeit, Amnioninfektionssyndrom und Frühgeburtlichkeit.
- Eine vertikale Übertragung auf das Neugeborene ist bei bis zu 50% der mit Ureaplasmen kolonisierten Mütter beschrieben. Es ist daher angebracht, bei Frühgeborenem mit Pneumonie Ureaplasmen und Mykoplasmen als Ursache auszuschließen.
- Reife Neugeborene sind i.d.R. nicht betroffen, prädisponiert sind sehr kleine Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.000 g. Bei diesen Patienten sind Pneumonien und in Einzelfällen Sepsis oder Bakteriämien sowie Meningitiden beschrieben.
• Mikrobiologisch-infektiologische Qualitätsstandards (MiQ) 11a Genitalinfektionen Bakterien II 2011
• Neumeister B, Geiss HK, Braun RW, Kimmig P. Mikrobiologische Diagnostik. Georg Thieme Verlag Stuttgart-New York 2009
Eine mögliche Besiedlung der Mutter sollte vor der Geburt dem Entbindungszentrum mitgeteilt werden.
Ureaplasma genitalium
- Das pathogene Potenzial von M. genitalium für die ätiologische Bedeutung der nicht-gonorrhoischen Urethritis (NGU) wurde mehrfach dokumentiert; demnach verursachen die Bakterien bei Männern in 10-25% der Fälle eine NGU.
- Ko-Infektionen mit C. trachomatis sind keine Seltenheit. Die Bedeutung der Mykoplasmen bei Epididymitis und Prostatitis ist weniger gut belegt.
- Bei mit Mycoplasma genitalium besiedelten Frauen, insbesondere bei HIV-positiven, sind Urethritis, Zervizitis sowie eine laparaskopisch gesicherte Adnexitis/Salpingitis/PID oder Endometritis beschrieben. Im Gegensatz zu den Männern verliefen die Erkrankungen bei einem großen Teil asymptomatisch.
- Der kulturelle Nachweis von M. genitalium benötigt 2-3 Wochen und gelingt in der Routinediagnostik nur selten; er ist daher Speziallaboratorien vorbehalten.
- Bei Urethritis mit unklarer Ätiologie erfolgt der Erregernachweis mittels einer spezifischen NAT.
- Bei Männern hatte die PCR aus Erststrahlurin eine höhere Sensitivität als aus Urethralabstrichen.
- Bei Frauen war die Sensitivität der PCR aus Zervixsekreten oder Erststrahlurin nicht zufriedenstellend; erst die PCR aus beiden Untersuchungsmaterialien erbrachte gute Ergebnisse.
• Mikrobiologisch-infektiologische Qualitätsstandards (MiQ) 11a Genitalinfektionen Bakterien II 2011
Links:
- Konsiliarlaboratorium für Mykoplasmen
- AWMF-Leitlinie: Bakterielle Vaginose in Gynäkologie und Geburtshilfe
- AWMF-Leitlinie: STI/STD–Beratung
- Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG)
- AWMF-Leitlinie: Empfehlungen zum Vorgehen beim vorzeitigen Blasensprung
Literatur:
• Burkhardt F. (Hrsg.) Mikrobiologische Diagnostik. Thieme, Stuttgart; New York 1992
• Mikrobiologisch-infektiologische Qualitätsstandards (MiQ) 11a Genitalinfektionen Bakterien II 2011
• Neumeister B, Geiss HK, Braun RW, Kimmig P. Mikrobiologische Diagnostik. Georg Thieme Verlag Stuttgart-New York 2009
• Winn W, Allen SD, Allen S, Janda W, Koneman EW, Schreckenberger PC, Procop GW, Woods GL: Koneman’s Color Atlas and Textbook of Diagnostic Microbiology. 6th edition. Baltimore, MD: Lippincott Williams & Wilkins; 2006